Wege der Ganzwerdung

Die EU-Health-Claims-Verordnung

Über vier Jahre sind nun vergangen, seit die Health-Claims-Verordnung der Europäischen Union in Kraft getreten ist, und hat seither den Werbemarkt für Lebensmittel hin zu mehr Transparenz für Verbraucher grundlegend verändert.

Lügenverbot für Lebensmittelhersteller

Wenn es um den Absatz geht, ist Unternehmen oftmals jedes Mittel recht, um den Verkauf zu fördern. Dass einige Konzerne dabei Versprechungen machen, die ihre Produkte nicht einhalten, ist hinlänglich bekannt. Genau dieser Entwicklung will die Europäische Union mit ihrer Health-Claims-Verordnung entgegenwirken. Ziel der Verordnung ist, einerseits Verbraucher vor unhaltbaren Versprechungen von Konzernen über deren Produkte zu schützen und andererseits Impulse für die Unternehmerlandschaft zu setzen, wirklich gesundheitsfördernde Produkte zu entwickeln und auf den Markt zu bringen. Dabei ist zu beachten, dass die Ende 2006 erstmals verabschiedete, aber wegen einigen Fehlern erst zum 1. Juli 2007 in Kraft getretene Verordnung unmittelbare Rechtskraft hat. Das heißt, dass sie anders als die sonst vom Europäischen Parlament verabschiedeten Richtlinien keine Aufforderung an den nationalen Gesetzgeber zu Entwicklung richtlinientreuer Gesetze darstellt, sondern selbst direkt rechtswirksam ist, und zwar für alle Mitgliedsstaaten der Europäischen Union.

Mehr Transparenz für Verbraucher

Zu dem wesentlichen Inhalt der Verordnung gehört in erster Linie die Pflicht an Lebensmittelproduzenten, hinsichtlich der gesundheitsbezogenen Merkmale ihrer Produkte wahrheitsgemäße Angaben zu machen. Dabei verdreht die Verordnung die Beweislast. Diese Beweislastumkehr verpflichtet Unternehmen nämlich, Beweise zu erbringen, warum ihr Produkt wirklich gesund sein soll. Solange solche Beweise ausbleiben, gilt das Produkt als insoweit nicht gesundheitsfördernd mit der Folge, dass das Unternehmen sein Produkt nicht mit solchen Argumenten vermarkten darf. Als Argumente kommen dabei allein wissenschaftlich evidente Erkenntnisse infrage, die über alle Zweifel erhaben sind. Hauseigene Studien mit einem kleinen Probatenkreis sind somit nicht ausreichend. Mit dieser Anforderung verspricht sich die Europäische Union, gleichzeitig Impulse für Unternehmen zu setzen, wirklich gesunde Nahrungsmittel zu entwickeln.

Krankheitsbezogene Angaben sind wieder zulässig

Die Health-Claims-Verordnung hat die Situation für Unternehmen aber nicht nur erschwert, sondern mancherorts auch vereinfacht. Beispielsweise war es in Deutschland bis zum Inkrafttreten der Health-Claims-Verordnung verboten, Lebensmittel mit krankheitsbezogenen Argumenten zu vermarkten. Unternehmen durften beispielsweise nicht behaupten, ihr Produkt schütze vor der Entwicklung von bestimmten Krebsarten. So sah es bisher der Paragraf 12 des Lebensmittel-, Bedarfsgegenstände- und Futtermittelgesetzbuches vor. Das ist nun anders, auch wenn die Health-Claims-Verordnung hier restriktive Grenzen zieht. Denn nur solche krankheitsbezogene Angaben sind erlaubt, die in der EU-eigene Gemeinschaftsliste aufgenommen wurden, die wiederum hohe Anforderungen stellt.

Ausnahmen für „traditionelle“ Lebensmittel

Es gibt aber keine Regel, ohne Ausnahmen. Bei der Health-Claims-Verordnung ist das nicht anders. „Traditionelle“ Lebensmittel sind von der Verordnung ausgenommen. Was die weite Generalklausel „traditionell“ konkret erfasst, ist schwierig einzuschätzen. Kritiker befürchten hier ein Schlupfloch für Unternehmen, die Verordnung zu umgehen. Grob skizziert lassen sich naturbelassene Obst- und Gemüsesorten, Geflügel, Fleisch und Fisch als „traditionelle“ Lebensmittel einordnen, in deren Vermarktung die Unternehmen auch weiterhin frei sind. Nach langen Protesten vor allen Dingen deutscher Bäcker zählt nun auch Brot ausdrücklich zu den „traditionellen“ Lebensmitteln. Bäckerfunktionäre rechtfertigten ihr Vorgehen damit, dass deutsches Brot geringfügig mehr Salz beinhalte als der europäische Durchschnitt. Es stelle eine unzumutbare Härte dar, allein deswegen deutsches Brot als „ungesunder“ darzustellen, als beispielsweise spanisches Brot.

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  • Veröffentlicht in: Magazin am 18. Januar 2013

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